Die Räumungsverfügung

Ein Vorgeschmack Bielefelder Gesinnungsjustiz

Daß es dann doch so schnell gehen würde mit der Räumung hatte niemand gedacht. Waren die Räumungen bislang im Nachhinein immer vom Gericht als für überzogen schnell und ohne rechtliche Grundlage für illegal erklärt worden, dachten wir diesmal, daß das Straßenbauamt, um einer erneuten peinlichen juristschen Niederlage zu entgehen, uns vorher zur Räumung auffordern würde. Pustekuchen, am 14.10.98 kamen 200 Polizisten, sperrten das Hüttendorf ab, erzahlten den dortigen 5 Anwesenden, sie könnten jetzt entweder gehen oder auf den Gerichtsvollzieher warten. Natürlich wurde dann erst mal gewartet. Es blieb den 4 Leuten auf den Bäumen auch gar nichts anderes übrig, als zu wareten, da das KletterSEK der Polizei die Kletterseile abgeschnitten hatte, an denen die Leute runterkommen konnten.

Rechtlich passierte nun folgendes:

Zwischen 7.99 und 8.00 Uhr sprach der Straßenbauamtsleiter etwas gegen den Wind, das man tatsächlich nicht verstehen konnte. Dieses wurde später als offizielle Räumungsaufforderung gewertet. Ab 8.00 Uhr wurde das Gelände abgesperrt, formal beantragte Brammer um 8 Uhr 15 beim Landgericht Bielefeld eine Räumungsverfügung gegen alle Personen, die auf dem Gelände waren und die dort mutmaßlich( aufgrund angeblicher polizeilicher Ermittlungen) wohnten.

Begründet wurde dieser Antrag mit folgendem:

1.) Das Gelände gehöre alles ihm

2.) Wir hätten keine Duldung

3.) Die A 33 muß sofort ganz schnell hier weiter gebaut werden.

Und das Entscheidende: In einer eidesstattlichen Erklärung beeidete der Bauamtsleiter, die Räumungsschuldner zur Räumung aufgefordert zu haben

Hier nun die einstweilige Verfügung.

Ene, mene, miste, du bist auf der Liste!

Diese Räumungsverfügung richtete sich damit kurioserweise auch an mehrere Leute, die nicht auf dem Gelände waren, sogar an Leute, die dort nicht wohnten oder überhaupt nichts damit zu tun hatten. Trotzdem: diese Verfügung erreichte recht bald Rechtskraft für die Personen, die keinen Widerspruch dagegen einlegten. Als sich eine Person darüber beschwerte, daß er nun Räumungskosten zahlen sollte, obwohl ihm die Räumungsverfügung nicht zugestellt wurde, weil der Hüttendorfpostkasten bei der Räumung dem Erdboden gleichgemacht wurde, er also auch keinen Widerspruch einlegen konnte, gab sich die Justiz äußerst durchdrungen vom Gerechtigkeitsempfinden. Der Richter von Halen störte sich nicht an der Aussage, daß man dem Betroffenen die Verfügung hat dadurch zustellen wollen , daß man es in der Postrolle einer Wohngemeinschaft von irgendwelchen A 33-Gegnern hinterlegte. Wer diese Art der amtlichen Zustellung nicht glaubt, hier ist der Beweis.

Aber das Gerechtigkeitsempfinden der Landrichter ging noch weiter. In einer Hauptverhandlung wurde dem Betroffenen dann das Rechtssystem der Bundesrepublik so erklärt: Eigentlich wäre die Zustellung nicht nach den Wünschen des Betroffenen erfolgt, gleichwohl seie sie rechtmäßig. Er - der Betroffene - habe „einfach nur das Pech durch die Maschen der Justiz zu fallen“. Aber immerhin, ihm wurde irgendwas geantwortet, einer anderen Frau, die nacvhweislich nicht dort wohnte und die auch keine Verfügung zugestellt bekam, soll trotzdem Räumungskosten zahlen. Auf Fragen gibts aber keine Antworten, bzw. höchstens solche Eklärungen, daß man zwar für das Schreiben von Rechnungen zuständig seie, aber nicht dafür, den Grund der Rechnungen herauszufinden.

Der Hauptsacheprozeß

Es begann mit einem Versprechen....

Juristisch bedeutsamer noch war die Aussage des Bielefelder Landrichters von Halen zum weiteren Prozedere. Er sagte uns während der Hauptverhandlung über den Widerspruch zu, daß alle uns besonders interessierenden Fragen während des Hauptsacheverfahrens behandelt würden, also besonders die Art und Weise der Räumung, so daß wir uns das vorläufige Verfahren schenken könnten. Auf diese Aussage vertrauend, legten wir keine Berufung gegen die Ablehnung unseres Widerspruchs ein

....das sich sehr bald als Verarschung entpuppte.

Das erste was den Bielefelder Landrichtern, die uns im Hauptsacheverfahren gegenüberstanden, zu dem Versprechen des Richters von Halen einfiel, war, daß sie sich daran nicht gebunden fühlten und daß sie auf gar keinen Fall über die Art und Weise der Räumung diskutieren wollten. Eigentlich ging es Ihnen nur darum herauszufinden, ob uns das Hüttendorfgelände gehören würde und wenn nicht, ob wir dort geduldet worden waren.

Unsere Argumentation

Das war natürlich keine gute Ausgangsposition, da damit fast alle unsere Verteidigungsmöglichkeiten genommen waren. Unsere Hauptargumentation bestand darin, daß

1.) eigentlich das Verwaltungsgericht zuständig seie, und wir gar nicht privatrechtlich hätten geräumt werden dürfen, da wir eine politische Demonstration seien und diese Versammlung vor ihrer Auflösung den Schutz des Versammlungsgesetzes genießen würde. Im Gegensatz dazu genießt das Eigentumsrecht des Straßenbauamtes an seinem Grund und Boden keinen grundrechtsgleichen Schutz, weil Ämter im Gegensatz zu Privatpersonen niemals Träger von verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten sein können.

2.) die Räumung selbst nicht gemäß den Vorgaben des Landgerichts durchgfeführt wurde. Während der Räumung hat die Polizei, die ja typischerweise juristisch immer überfordert ist, Absperrungen aus polizeitaktischen Gründen vorgenommen, also mehr Flächen abgesperrt, als in der Verfügung angegeben wurden. Infolgedessen ist die Begründung in dem Antrag auf eine einstweilige Verfügung, daß alle Personen innerhalb der Absperrung sich widerrechtlich auf Straßenbauamtsflächen aufhalten, falsch.

Nur - diese Argumente halfen uns jetzt nichts mehr - Auch obwohl wir beweisen konnten, daß das Hüttendorf geduldet wurde. Das Landgericht urteilte gegen uns

Unser einziger Sieg - ein hinterhältiger Pyrrhussieg

Nun gut dachten wir uns, gehen wir hiergegen in Berufung. Das OLG Hamm zog sich nun - das muß man anerkennungsvoll sagen, mit Bauernschläue aus der Affäre. Die Klage auf Räumung des Hüttendorfgeländes wurde aus rein formalen Gründen abgewiesen. Wir gewannen also die Hauptsache - Jedoch: Die Begründung und die Konsequenzen lassen einem das Lachen vergehen. Das Gericht urteilte, daß - da die Räumung ja schon gewesen seie, alle Fragen geklärt seien. Die Klage wäre sozusagen überflüssig. Alles seie ja schon mit dem Widerspruchsverfahren über die einstweilige Verfügung entschieden.

Fies ist ein solches Urteil deswegen, weil wir formal gewonnen haben, jedoch vor dem Verfassungsgericht nur Urteile angreifbar sind, die man verloren hat. Trotzdem werden wir natürlich beschwert, denn das Urteil hat die Konsequenzen, daß unsere Chancen, aus dem Kostenfestsetzungsverfahren herauszukommen erheblich schrumpften.